Freie Gedanken zu dem neuen Erlass zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei, NRW
(Christel Schwenger)

Wenn die Nationalität bei Tatverdächtigen zum „Faktum“ wird und für die Öffentlichkeit „Transparenz“ schafft …

Die Regierung in NRW will mit einer Regel für die Pressemitteilung der Polizei eine „transparente“ Kommunikation fördern. Der deutsche Presserat befürwortet das.
Nicht alle Bundesländer stimmen dieser Regelung zu, und diese wird zu Recht kontrovers diskutiert.

Der Innenminister des Landes NRW, Herbert Reul (CDU), steht hinter dem neuen Erlass und hat seine Meinung am 28.8.2019 in einer Sendung des WDR 5 („Transparenz oder Diskriminierung?“) zur Diskussion gestellt.

„Ich werbe seit meinem Amtsantritt um Transparenz. Das sollten wir in Zukunft auch in der Pressearbeit der Polizei noch konsequenter umsetzen“, erklärte Innenminister Herbert Reul (CDU) die geplante Änderung. Künftig solle gelten: „Wir nennen alle Nationalitäten von Tatverdächtigen, die wir sicher kennen – selbstverständlich auch die von deutschen Tatverdächtigen. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Transparenz das beste Mittel gegen politische Bauernfängerei ist.“
Wohl bemerkt, ist hier die Rede von Tat“verdächtigen“, die Straftat ist also noch nicht sicher, aber die sicher erfasste Nationalität, die soll genannt werden.

Nicht alleine dass ein solcher Erlass sich in unsere öffentliche Pressewelt schleicht, ärgert mich, stellt mir Fragen und erinnert mich an Zeiten, in denen Schritt für Schritt die politische Meinungsbildung, die Politik, in Deutschland die Pressefreiheit verdrängte.
Nein, vielmehr die Einladung zu einer öffentlichen Diskussion, in der alle in aller Selbstverständlichkeit ihre vorurteilsbeladenen Haltungen bestätigt sehen können und Argumente für diese erhalten, das finde ich empörend.
Dient die Nationalität, die Religion oder Ethnie der Klärung einer möglichen Straftat?

Wenn der Innenminister unseres Landes allein mit dem Schlagwort der Transparenz argumentiert und es vage unterstützt mit der Äußerung „ Der Bürger frage danach, er wolle die Nationalität erfahren und er habe ein Recht auf Transparenz.“, dann frage ich mich, welche offene, transparente Kommunikation er hier meint. Und wenn er befragt wird, ob der Hinweis auf Nationalität beweisführend sei, wird er sein Schlagwort wiederholen und es mit dem Ziel, „er wolle politische Bauernfängerei eindämmen“ erläutern.
Welche Wahrheit soll hier faktisch deutlich und „ehrlich“, wie er meint, dargestellt und erfasst werden?
Dient diese Art der Presse nicht eher dazu, die Ängste vor Überfremdung und den Hass auf Fremde in unserem Land zu schüren?

Wir alle wissen, spätestens nach der Silvesternacht in Köln, dass das Aufladen einer fremdenfeindlichen Stimmung in einigen wenigen Stunden erfolgreich eine Atmosphäre erzeugt, die bleiern das ganze Land erfasst hat.
Die Benennung der Nationalitäten, ausgesendet nur durch diesen kleinen medialen Reiz, hat alle Vorurteile aufblühen lassen.
Heute kennen wir die Fakten und wissen, dass die über 1000 Strafanzeigen wegen sexueller Übergriffe sich auf 36 Straftaten reduziert haben, darunter auch die von deutschen Bürgern, und vor Gericht verhandelt worden sind. Dabei belief sich die richterlich ausgesprochene höchste Strafe wegen räuberischen Diebstahls auf eineinhalb Jahre.

Stehen diese Fakten in einem angemessenen Verhältnis zu der medial erzeugten Atmosphäre und den Gedanken der Ausgrenzung?
Warum gibt es nun nach den Urteile nicht den Versuch mittels der vorliegenden Fakten, die Wahrheit zurechtzurücken?

Die Wirklichkeit ist schon längst hinter den Vorurteilen und hinter der Atmosphäre verschwunden. Sie bleiben und befeuern weiter das, was die hasserfüllte Stimmung möglich macht.

Der Marokkaner, der Araber, der Nordafrikaner aus der Silvesternacht bleibt,
nicht der Deutsche aus der Silvesternacht.

Wir alle kennen die Belegung von Wörtern und wissen, welche Konnotationen bei der Nennung der Nationalität mitschwingen. Und diese fallen nicht in eine neutrale Wirklichkeit sondern in eine entstandene Atmosphäre in unserem Land, in dem sich die Angst vor einer völlig irrational gedachten und empfundenen Überfremdung breitmacht.

Jetzt hätten wir die Chance, die Wirklichkeit zurechtzurücken, das Fremde nicht als Bedrohung zu erleben, sondern für eine gemeinsame Einmischung zu sorgen.
Stattdessen wird die graue Atmosphäre der Vorurteile als Grundlage rechter Politik genutzt.

„Ich will die Fakten offenlegen.“ (Herbert Reul)
„Jeder kann sich sein Urteil machen. Ich habe nicht das Recht zu entscheiden, was von Interesse ist und was nicht.“ (Herbert Reul)

Ich bin entsetzt über soviel Naivität, über soviel Blindheit in unserem Land, in dem wir zusehen, wie sich die Macht in großer Einfältigkeit nach rechts verschiebt und unsere Demokratie und Meinungsfreiheit gefährdet.

Wenn bei einem Strafverdächtigen die Nationalität zum Faktum wird, dann habe ich ein blaues Auge, so wie es in meinem Pass steht.

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