Bericht über ein Gespräch mit Bewohner*innen der ZUE in Düren-Gürzenich am 10.09.2020

Die ZUE Düren-Gürzenich ist die für Würselen nächstgelegene Einrichtung dieser Art in NRW. Sie ist im Regierungsbezirk die größte Sammelunterkunft mit einer maximalen Möglichkeit der Unterbringung von 800 geflüchteten Menschen. Sie befindet sich im Dürener Stadtteil Gürzenich auf dem Gelände eines ehemaligen Munitionsdepots, Im Eichenbruch 43 mitten im Wald gelegen. Durch dort untergebrachte Einzelfälle und auch durch Familienangehörige Geflüchteter in Würselen bekamen wir vom Förderkreis Asyl Würselen e.V und die Evangelische Christusgemeinde Alsdorf-Würselen-Hoengen-Broichweiden unmittelbar Kontakt und erste Einblicke in das Leben in der ZUE und in die unabhängige Beratungsarbeit der Diakonie in der ZUE im Haus 201. Auf diesem Wege erreichten uns seit Frühjahr 2018 konkrete Bitten von einzelnen Bewohner*innen der ZUE Gürzenich.

Der Förderkreis Asyl in Würselen verabredete Mitte 2019 mit den Mitarbeiter*innen der unabhängigen Beratungsstelle der Diakonie einen Besuch in der ZUE, um mehr über die Lebensbedingungen der hier untergebrachten Geflüchteten zu erfahren. So haben vier Mitglieder des Förderkreises am 26.6.2019 auf Einladung der Beratungsstelle die ZUE das erste Mal besucht und über die erschreckenden Eindrücke einen Bericht unter dem Titel „Die ZUE Düren-Gürzenich – ein Lager vor unserer Haustür“ verfasst, der auf unserer Homepage www.asyl-in-wuerselen.de und auf der Website des Flüchtlingsrats NRW erschienen ist.

Mit Beginn der Pandemie Covid19 beobachtete der Förderkreis Asyl mit erhöhter Aufmerksamkeit die Möglichkeiten des Einhaltens der allgemein gültigen und geforderten Hygiene- und Schutzmaßnahmen auch für die Bewohner*innen von Sammelunterkünften. Um auf diese Gefahren hinzuweisen, hat der Förderkreis Asyl zusammen mit der Initiative Bürger*innenasyl Aachen am 19.6.2020 eine Kundgebung vor der ZUE in Gürzenich aus Solidarität mit den Bewohner*innen durchgeführt. Gleichzeitig forderten sie gemeinsam die Schließung derartiger Massenunterkünfte und die dezentrale Unterbringung der Bewohner*innen in Kommunen (siehe hierzu auch den Bericht auf der Homepage des Förderkreises).

Bei dieser Kundgebung entstanden weitere Kontakte und Gespräche mit einigen Bewohner*innen.. Hierbei zeigte sich bereits mit aller Deutlichkeit, wie psychisch belastend die Unterbringung für die Geflüchteten in der ZUE ist, in der sie bis zur Entscheidung ihres Asylantrags oft bis zu zwei Jahren verbringen müssen. Sie zeigten ein starkes Interesse daran, über ihre Probleme in der ZUE zu sprechen und sie öffentlich zu machen. Daraufhin vereinbarten wir mit ihnen, diese Gespräche fortzusetzen

Daran anknüpfend fand durch die Vermittlung der Diakonie-Beratungsstelle am 10.9. ein Treffen im Café International der evangelischen Gemeinde in Düren statt, an dem vier Bewohner*innen der ZUE sowie Vertreter*innen des Förderkreises Asyl Würselen e.V. und Vertreter*innen der unabhängigen Diakonie-Beratungsstelle teilnahmen. Bei diesem Treffen kamen ausschließlich die Geflüchteten zu Wort, ausführlich und mit viel Raum zur Darlegung und Erläuterung ihrer Probleme. Die übrigen Anwesenden waren aufmerksame Zuhörer*innen dieser Berichte. In den Augen der anwesenden Bewohner*innen ist der Aufenthalt in der ZUE übereinstimmend ein Leben in einem Gefängnis mit offenem Vollzug. Alles ist reglementiert und vorgeschrieben, Freiräume oder eine Privatsphäre gibt es nicht

Die Unterbringung ist nach Männern und Frauen getrennt, aber wo und mit wem sie zusammen wohnen, darauf haben sie keinen Einfluss. Die Angst vor einer Corona-Ansteckung ist bei allen riesengroß. „In einem Zimmer mit fünf Personen kann man keinen Mindestabstand einhalten. Das ist unmöglich.“ Die Unterbringung wird nicht, wie es unter Pandemiebedingungen überall sonst festgelegt worden ist, nach Haushalten oder Familienangehörigen bestimmt, sondern man wird mit völlig fremden Menschen gemeinsam in den Zimmern untergebracht, bis zu 5 Personen in einem Raum. Dasselbe gilt für die gemeinsame Nutzung der Toiletten und der Duschen. Das Essen wird in mehreren Schichten in der Gemeinschaftskantine eingenommen, um die Gefahr der körperlichen Nähe zu reduzieren. Aber gerade die für alle verbindlich vorgeschriebene Gemeinschaftsverpflegung ist für die meisten ein großes Problem. „Wir kommen aus den verschiedensten Ländern mit ganz unterschiedlichen Essgewohnheiten, aber hier wird uns eine Einheitskost vorgesetzt, die wir teilweise gar nicht vertragen.“ Von dem geringen Taschengeld von knapp über 30 € pro Woche kann man sich kaum zusätzlich Obst oder andere Lebensmittel kaufen, zumal durch die Lage mitten im Wald, also weit ab von jeder Wohnbebauung und Geschäften der Weg zum Einkaufen nur mit dem Bus erfolgen kann.

„Das ist das Schlimmste an der Unterbringung in der ZUE: Wir sind von dem normalen Leben völlig abgeschnitten und haben keinen Kontakt zu den Einheimischen.“ Integrationsbemühungen sind unter diesen Umständen nur schwer möglich und sind in dem Konzept der ZUEs auch politisch gar nicht gewollt..„“Wir fühlen uns wirklich eingesperrt wie in einem Lager.“ Der Alltag verläuft dort völlig eintönig und sinnentleert. Es gibt keine Arbeit, keine Beschäftigung, keinen Unterricht, also keinerlei Abwechslung. Die wenigen Angebote, die es vor der Pandemie gab, finden seit Monaten nicht mehr statt. „Nur essen und schlafen – das ist kein Leben!“ Man verbringt die Zeit mit dem Warten auf die lebenswichtige Entscheidung durch das Bamf, und wenn sie dann erfolgt ist, wartet man darauf, was dann mit einem geschieht. „Ich fühle mich nicht wie ein Mensch, sondern wie ein Objekt, über das entschieden wird, und ich muss die Entscheidung hinnehmen.“ Dabei wollen alle ihr Leben aktiv gestalten. „Aber hier in der ZUE werden uns Jahre unseres Lebens gestohlen, und wir bekommen sie nie wieder zurück.“

Ganz schwierig ist in der ZUE die ärztliche Versorgung, besonders dann, wenn man wie einer der anwesenden Bewohner aus Nigeria ein schweres Gelenkleiden hat und dringend eine Behandlung durch Spezialisten in einem Krankenhaus brauchte. Die Bewohner*innen der ZUE haben nur Anspruch auf einen ärztliche Notversorgung. Sprechstunden gibt es in der Sanitätsstation vor Ort nur zweimal in der Woche durch einen Hausarzt, einmal wöchentlich durch eine Kinderärztin und einmal in der Woche durch eine Hebamme. Sie müssen die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung bescheinigen, und das ist oft schwierig.

Das Leben in der ZUE ist also in jeder Hinsicht total eingeschränkt, sehr stark reglementiert und menschlich unzumutbar.

Wir waren nach dem über zweistündigen Bericht der betroffenen Geflüchteten erschrocken und empört über diese menschenunwürdige Situation der Bewohner*innen in der ZUE Gürzenich und waren uns alle einig, auch die anwesenden Bewohner*innen der ZUE, dass diese Missstände öffentlich gemacht werden müssen, weil die breite Öffentlichkeit davon überhaupt keine Ahnung oder nur vage Vorstellungen hat. Deshalb veröffentlichen wir diesen Bericht, um die unerträglichen Verhältnisse, die mitten unter uns für viele Geflüchtete Alltag sind, anzuprangern. Gleichzeitig haben wir mit den vier anwesenden Bewohner*innen vereinbart, ein ähnliches Treffen mit Vertreter*innen der Landes- und Bundespolitik zu organisieren, damit sie aus erster Hand die unhaltbaren Probleme in der ZUE erfahren und sich für eine umgehende Änderung einsetzen. Dies kann eigentlich nur eine Schließung der zentralen Gemeinschaftsunterkünfte und die dezentrale Unterbringung der Geflüchteten in Kommunen bedeuten. Das geplante Treffen mit Politiker*innen werden wir in absehbarer Zeit durchführen.

Dorothea-Elisabeth Alders Pfarrerin der Evangelischen Christusgemeinde Alsdorf-Würselen-Hoengen-Broiweiden und Jürgen Hohlfeld, beideim Vorstand des Förderkreises Asyl Würselen e.V.

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