Die Zentrale Unterbringungseinrichtung ZUE in Düren-Gürzenich ist uns seit langem bekannt, weil dort mehrere der von uns betreuten Flüchtlinge längere Zeit untergebracht waren. Allerdings kannten wir diese Einrichtung aus eigener Erfahrung bisher nur von außen: Ein Lager mitten im Wald gelegen, weit ab von jeder Bebauung, umgeben von einem hohen Zaun, oben abgeschlossen mit Stacheldraht, eine geschlossene Schranke mit einem Wachhäuschen, in denen Angehörige einer Sicherheitsfirma Dienst tun – Zutritt nur nach vorher eingeholter Genehmigung, Fotografieren strengstens verboten!

Diese lagermäßige Einrichtung wollten wir uns mal genauer von innen ansehen, und so durften vier von uns auf Einladung des in der Einrichtung tätigen Beratungsdienstes der evangelischen Gemeinde Düren am 26.6. die ZUE besuchen: Christel, Heike, Hildegard und Jürgen. Wir erhielten am Eingang gegen Vorlage unseres Personalausweises Besucherausweise, die wir gut sichtbar tragen mussten, und wurden von zwei Sicherheitsleuten zu der evangelischen Beratungsstelle geleitet.

Die Zentrale Unterbringungseinrichtung in Düren-Gürzenich wurde auf dem Gelände eines ehemaligen Munitionsdepots für max. 800 Personen errichtet und ist damit neben der ZUE in Wegberg die größte ZUE in NRW. Belegt ist sie allerdings im Augenblick auf Grund der rückläufigen Flüchtlingszahlen nur mit 260 Geflüchteten. Trotzdem sind die Bewohner immer noch in Mehrbettzimmern mit zweistöckigen Hochbetten untergebracht, getrennt nach Familien, Frauen und Männern und zusammengefasst nach Nationalitäten.

In NRW gibt es insgesamt 33 dieser Zentralen Unterbringungseinrichtungen, die im Zuge der politischen Rechts- und Ordnungsdebatte geschaffen wurden als Zwischenstationen zwischen den Erstaufnahmeeinrichtungen und den Kommunen. Anfangs, also im Herbst 2015 wurden die Asylsuchenden direkt von den Erstaufnahmeeinrichtungen den Gemeinden zugeteilt, wo sie in den Sammelunterkünften unmittelbar von Ehrenamtler/innen betreut wurden, wie damals von uns im Helleter Feldchen, in der Hauptstraße und in der Burgstraße. Heute werden sie stattdessen in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen „zwischengelagert“, in der Regel 4 – 6 Monate, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist und sie dann endgültig einer Kommune zugewiesen oder aber abgeschoben werden. Die Zuweisungen brauchen allerdings auch bei positivem Bescheid des Asylantrages viel zu lange.

Der Kontakt der Bewohner zur Außenwelt ist in den ZUEs stark eingeschränkt, ehrenamtliche Unterstützer/innen haben nur vereinzelt Zutritt. Das gesetzlich vorgeschriebene Beratungsrecht der Asylsuchenden nimmt in der ZUE Düren-Gürzenich die Beratungsstelle der evangelischen Gemeinde Düren wahr, die viermal in der Woche von 11 – 15 Uhr eine offene Beratung niederschwellig durchführt, die auch zahlreich in Anspruch genommen wird. Diese Stelle ist in ihrer Beratung völlig unabhängig und vertritt konsequent die Interessen der Geflüchteten. Durch diese Beratung erhalten die Asylsuchenden auch Zugang zur rechtlichen Klage, die von der Beratungsstelle selbst aufgesetzt und eingereicht wird, zumal der Kontakt zu Rechtsanwälten für die Bewohner kaum möglich ist. Aber auch bei aufschiebender Wirkung der Klage gibt es immer wieder willkürliche Verzögerungen der Zuweisungen, auch das wieder ein Rechtsmissbrauch.

Für die Bewohner/innen gibt es in der ZUE außerdem zahlreiche Verbote, die die von uns gewählte Bezeichnung „Lager“ durchaus gerechtfertigt erscheinen lassen. Sie dürfen nicht arbeiten, und die Kinder dürfen nicht zur Schule gehen, die Schulpflicht ist also für sie aufgehoben, ein rechtlich außerordentlich zweifelhaftes Verbot, denn die Kinder müssen ggf. sechs Monate auf ihr Recht auf schulische Bildung zwangsweise verzichten. Außerdem dürfen die Bewohner nicht selbst kochen, müssen also auf das aus ihren Heimatländern gewohnte Essen verzichten. Versorgt werden sie zu allen Mahlzeiten in der Kantine durch die Lagerküche.

Außerdem sind die Bewohner der ZUE nicht krankenversichert, haben also nur Anspruch auf eine ärztliche Notversorgung. Sprechstunden gibt es in der Sanitätsstation vor Ort zweimal in der Woche durch einen Hausarzt, einmal wöchentlich durch eine Kinderärztin und einmal durch eine Hebamme. Sie müssen die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung bescheinigen. Das Leben in einer ZUE ist also für die Bewohner stark eingeschränkt und durch Verbote reglementiert, ein Zustand, der zu unserer Vorstellung von einem menschenwürdigen Umgang mit geflüchteten Menschen in totalem Widerspruch steht. Durch die lagerartige Unterbringung wird der psychische Druck auf die Bewohner noch erhöht und damit auch die Suizidgefahr. Es besteht zwar eine Zusammenarbeit mit der psychiatrischen Klinik LVR Düren, aber es gibt viel zu viele psychisch erkrankte und traumatisierte Personen, die dringend professionelle Hilfe brauchen.

Die Bezirksregierung in Köln leitet die Einrichtung in Düren-Gürzenich und ist mit mehreren Mitarbeiter/innen auch vor Ort. Sie hat die Versorgung und Betreuung der Asylsuchenden dem Malteser Hilfsdienst übertragen. Mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Beratungsdienst wurde die evangelische Gemeinde in Düren beauftragt. Für die Sicherheit der Einrichtung sorgt ein privater Sicherheitsdienst.

Neben derartigen ZUEs wie in Düren-Gürzenich gibt es in NRW auch noch sogenannte „Schwerpunkteinrichtungen“ in Hamm, Möhnesee, Bonn-Bad Godesberg, Oerlinghausen, Ratingen-Triefenbroich, Willich und Ibbenbüren, in denen die Asylsuchenden aus „sicheren“ Herkunftsländern gesondert untergebracht werden. Diese besonderen Einrichtungen dienen also der effizienteren Umsetzung von Abschiebungen direkt aus der jeweiligen ZUE, von denen die Öffentlichkeit noch weniger erfährt, als wenn die Geflüchteten in den Kommunen abgeholt werden. Diese rigorose Abschiebepraxis ist politisch gewollt, denn sie entspricht dem mit großer Kritik im Bundestag von der Groko im Eilverfahren verabschiedeten „Migrationspaket“, das u.a. die „geordnete Rückkehr“ regelt und deshalb von seinen Kritikern auch einfach nur das „Hau-ab-Gesetz“ genannt wird.

Auch aus der ZUE Düren-Gürzenich werden immer wieder Bewohner abgeschoben, meistens mitten in der Nacht, so dass diese Maßnahmen öffentlich gar nicht wahrgenommen werden. Deshalb wollen wir darüber die Öffentlichkeit informieren und alle auffordern, auch auf diese im Verborgenen liegenden Einrichtungen einen kritischen Blick zu werfen, damit sie sich nicht unbeachtet zu einem rechtsfreien Raum entwickeln.

Prinzipiell lehnen wir als Förderkreis Asyl die Unterbringung von Geflüchteten in Zentralen Unterbringungseinrichtungen, in denen die Bewohner weitgehend von der Gesellschaft isoliert sind, entschieden ab, weil derartige Lager gegen grundlegende Menschenrechte verstoßen. Wenn bei einem Aufenthalt bis zu sechs Monaten Erwachsene keiner Arbeit nachgehen dürfen und ihr Kontakt zur Außenwelt und zu ehrenamtlicher Unterstützung erheblich eingeschränkt und erschwert wird sowie für Kinder die Schulpflicht außer Kraft gesetzt wird, verletzen derartige Einrichtungen in erheblichem Maße grundgesetzlich garantierte Menschenrechte. Das können wir in einem demokratischen Gemeinwesen nicht zulassen.

Autor: Jürgen Hohlfeld

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